Über 100 Jahre Wasserförderung nach Hannover


Erlebt und erzählt von Jürgen Hemme, Sprockhof


Das erste Wasserwerk Elze wurde 1912 gebaut. Damals wurden Hannover und Bremen das Wasser aus der Sösetalsperre angeboten. Hannover lehnte ab, weil es hier billiger zu bekommen war. Eine großzügige Grundstückskauf-Politik wurde eingeleitet. Für das Dorf Elze wurden besondere Regeln angewendet. Diese kennen nur noch ältere Elzer Bürger.
Anfang der 1930er Jahre folgte das Wasserwerk Berkhof. Damals wurden erste Enteignungen vom Regierungspräsidenten Lüneburg versagt. Nach einer Zentrumstagung in Hildesheim mit Senator Dunkelberg, auch Zentrum, und dem damaligen preußischen Landwirtschaftsminister Steiger, auch Zentrum, wurde die Enteignung beschlossen. Es wurde ein Streifen von 120 m Breite und einer Länge von 14 km von der L 190 bis in Wieckenberg freigegeben.
Als Folge dieser Wasserförderung fiel von Elze bis Wieckenberg und Buchholz das ganze Gebiet trocken: Alle Grabenkuhlen, Tränken und Rottekuhlen der Flachsverarbeitung fielen in kurzer Zeit trocken. Es gibt seitdem kein offenes Gewässer mehr in diesem Gebiet. Der Grundwasserspiegel wurde auf drei bis vier Meter gesenkt. Das Flurstück an der Kreuzung Elze nach Plumhof hat die alte Flurbezeichnung „ÄBEERNFLAT“. Das ist Plattdeutsch von Adebar abgeleitet „Storchenflat, für flaches Wasser“. Man stelle sich vor, eine private Firma hätte diese Umweltschäden verursacht.
Vor dem Krieg begannen erste Verhandlungen zu den Schäden. Die Beweislast lag bei den Grundeigentümern. Die juristische Position der Stadt war, die Saugbrunnen sind nach oben abgedichtet. Es wird nur aus dem Urstromtal der Aller gepumpt und hat keinen Einfluss auf das Oberflächenwasser. Nach dem Krieg wurde weiterverhandelt. Es gab das Maiburg-Strube-Gutachten, das sehr umstritten war. Ich glaube, man hat aus der Pflanzengesellschaft Rückschlüsse auf den Grundwasserstand abgeleitet. Aber man hatte kein anderes und ein neues musste finanziert werden und dauert dann wieder mehrere Jahre.
Mitte der 50er Jahre bekannte sich Hannover zu den Schäden – nach bereits 25 Jahren Wassernutzung. Es wurden schadensverhütende Einrichtungen geschaffen. Die Betriebskosten gingen zu Lasten der Betreiber. Der Beregnungsverband Sprockhof baute für 86.000 D-Mark. Die einzelnen Beregnungsverbände in den Dörfern gründeten den Dachverband, in dem die Stadt Hannover mit 20% der Stimmen vertreten ist. Eine Riesen-Leistung, musste man die moralische Einstellung der Stadt doch als unanständig einstufen.

Mehrere Sandstürme, begünstigt durch den trockenen Boden führten dazu, dass zwischen Elze
und Lindwedel ca. 10 bis 20 km Windschutzhecken gepflanzt wurden. Mehrere Betriebe
haben einen Hektar und mehr dafür zur Verfügung gestellt.
Anfang der 60er Jahre wurde das Wasserwerk Fuhrberg gebaut. Schlagartig fiel das ganze
Wietzenbruch trocken, bis dahin reines Grünlandgebiet. Die Auewälder an der Wietze
brachen zusammen, landschaftsprägende Bäume kippten um und es musste alles umgepflügt
werden. Alle Gräben waren trocken. In den ersten Jahren trat ein Problem im Wasser auf und
es konnte lange Zeit kein Wasser gefördert werden. Als Folge stieg der Grundwasserstand
wieder an.
In dieser Zeit fielen auch die ersten Abwässer der Kläranlagen an. Ich habe als Kind in der
Wietze gebadet und Stichlinge gefangen. Jetzt war sie eine blaue Kloake, man konnte sie von
weitem riechen. Auch darum wurde die Wietze begradigt, damit dieses Abwasser schneller
abfließen konnte. Der Auswurf des Flussbettes wurde auf die Wege verteilt – heute wäre es
Sondermüll gewesen.
Es folgten Horizontalbrunnen in Lindwedel. Die Folge war, dass das gesamte Viehbruch
Moor zwischen Oegenbostel und Lindwedel austrocknete. Die Grindau führte bis dahin auch
im Sommer immer Wasser. Jetzt ist sie seit 40 bis 50 Jahren nur ein trockener Graben.
Seitdem sind große Sackungen westlich der Bahn auf den Flächen entstanden.
Als das Wasserwerk in der Nordheide in den 80er Jahren für Hamburg gebaut wurde, war
man der Meinung, dass 15 Millionen Kubikmeter Entnahme zu viel wäre für die Natur. Bei
uns waren es in der Spitze aber sogar 50 Millionen Kubikmeter. Das heißt 1.000.000
Kubikmeter die Woche und 150.000 Kubikmeter am Tag. Das wären 5000 bis 6000
Tankwagen pro Tag.
Die Zahlungen für Schäden als Ausgleichsmaßnahmen dürften in der Summe der Jahre im
Durchschnitt 1 Cent pro Kubikmeter nicht überschritten haben. Dieses wertvolle Trinkwasser
wird für 0, I bis 0,2 Cent/l frei Haus geliefert. Davon wird 1 bis 2% als Trinkwasser genutzt.
Die halbe Trinkwassermenge wird für die Toilette verwendet. Eine Spülung kostet nur ca. 1
Cent. Hier besteht ein Gegensatz bei der Bewertung eines Produktes und des Preises.
Durch den starken Sog von unten wird der Weg von oben zum Grundwasser sehr beschleunigt
und damit die Filterfunktion des Oberbodens für Stoffeinträge sehr stark reduziert. Es wird
gern vergessen, dass die Kosten nicht beim Fördern entstehen, sondern in den Klärwerken.

Man kann es auch als Verschmutzung des Trinkwassers sehen. Eine offene Frage ist, wie viel
Stoffe aus den Klärwerken noch in die Flüsse geleitet werden.
Ziel muss es sein, die Wasserf6rderung zu halbieren. Das ist möglich, wenn das Regenwasser
von den Dächern für die Toilette benutzt würde. Bei einer Dachfläche von 100 bis 200
Quadratmeter wären das 70 bis 140 Kubikmeter pro Jahr und somit 1 bis 2 Kubikmeter die
Woche. Wenn sich die Kosten für das Trinkwasser dadurch verdoppeln würden, blieben sie
für den Nutzer nahezu gleich, da ja nur die Hälfte gebraucht würde.
Die Wasserrechte wurden Anfang der 30er Jahre verliehen und in den 60er Jahren neu
zugeteilt. Wegen konkurrierender Ansprüche wurde den Beregnungsflächen je nur 80 mm
zugeteilt. Dabei wurden die Wasserstände in den 1960er Jahren als naturgegeben angesehen,
obwohl diese als Folge der Ausbeutung bereits seit den 1930er Jahren so entstanden waren.
Dasselbe wäre jetzt wieder der Fall. Bevor das neue Wasserrecht verliehen wird, müssten die
Folgen des alten Wasserrechts analysiert werden. Die Beweislast der negativen Folgen
müssten beim Wasserbetreiber liegen. Alle negativen Folgen müssten die Wassermenge
begrenzen.
Wenn die Beregnung eine anerkannte schadenverhütende Maßnahme ist, sollten
Wasserwerkbetreiber auch an den Betriebskosten beteiligt werden.
Die Entschädigung in der Forst müsste an den Verleihungszeitraum des Wasserrechts
gekoppelt sein. Es kann nicht als rechtsstaatlich angesehen werden, wenn eine Region für sich
beansprucht, das Wasser für sich aus einer anderen Region zum Nulltarif zu holen.